Die Corona- Krise und der globale Naturschutz

Die Krise um den zoonotischen Krankheitserreger Sars-CoV-2 („Covid 19“) verdeutlicht, wovor Forscher*innen seit Jahren warnen: Wildtierhandel sowie Umweltzerstörung und Biodiversitätsverlust bringen uns in gefährlich engen Kontakt mit unbekannten Krankheitserregern.

Das neuentdeckte Corona- Virus Sars-CoV-2 („Covid 19“) ist ein Krankheitserreger, der vom Tier auf den Menschen übertragen wurde – wie Tollwut, Gelbfieber, AIDS, Influenza, Zika, Nipah, SARS, Ebola und viele andere sogenannte zoonotische Infektionskrankheiten. Sars CoV 2 stammt – höchstwahrscheinlich - ursprünglich von Fledermäusen ab und hat sich über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen -   vermutlich über ein Wildtier auf einem Fischmarkt in Wuhan. Auch der Ursprung von SARS wird auf einem Tiermarkt vermutet. Weltweit lauern viele weitere unbekannte zoonotische Krankheitserreger, die ebenso rasch zu einer globalen Bedrohung werden können wie Covid19.

Damit wird klar: der enge Kontakt von Wildtier und Mensch stellt ein großes Gesundheitsrisiko dar. Und wir wissen: menschengemachte Umweltzerstörung und Biodiversitätsverlust durch Entwaldung und Degradierung natürlicher Lebensräume von Wildtieren erhöhen das Risiko artübergreifender Infektionen erheblich. Diverse Studien weisen darauf hin, dass anthropogene Landnutzungsänderung eine der Hauptursachen neuartiger Zoonosen ist. Der Ausbruch der Ebola- Epidemie in Westafrika in 2013, beispielsweise, wird mit Entwaldung assoziiert. Abholzung hat in Afrika, Asien und Lateinamerika zu einem Anstieg von Malaria geführt.

 

„Menschliche Aktivitäten haben das Coronavirus ausgelöst“, konstatierte der Wissenschaftsjournalist David Quammen bereits im Januar in der New York Times. Laut Umweltministerin Schulze ist Covid19 unser „Weckruf“ für mehr Naturschutz und auch Inger Andersen, Direktorin des Umweltprogramms der UN, warnt: „Wenn wir uns nicht um die Natur kümmern, können wir uns nicht um uns selbst kümmern“.

Naturschutz ist, ungeachtet der akuten Corona­­-Pandemie, unbedingt erforderlich: wir zerstören mehrere Millionen Hektar Wald jährlich, darunter auch den für Klima- und Biodiversitätsziele so wichtigen Primärwald. Damit zerstören wir unsere eigene Lebensgrundlage.  Laut einer Studie der University of Monash werden, wenn alles so weiter läuft wie bisher, zwischen 2030 und 2050 jährlich 250.000 Menschen an den Auswirkungen des Klimawandels wie Hitzebelastung, Malaria oder Mangelernährung sterben.

 

Naturschutz und Entwicklung: zwei Fliegen mit einer Klappe?

Doch wie kann Naturschutz funktionieren?

Eine Strategie ist es, Gebiete zu Schutzgebieten zu erklären, allen voran in unseren biologischen „Schatzkammern“ Amazonas- und Kongobecken. 

In diesen ist, je nach Kategorie, menschliche Präsenz sowie Nutzung natürlicher Ressourcen verboten oder eingeschränkt erlaubt (letzteres ist bei über 80% der Schutzgebiete weltweit der Fall). Laut Schätzung der International Union for Conservation of Nature (IUCN) stehen derzeit ca. 20 Millionen Hektar Land der Erde (14.7 % der Erdfläche) formal unter Schutz. Bis 2030 soll sich diese Zahl verdoppeln.  

Doch Naturschutz ist komplex. Abgesehen von der Antarktis ist fast kein Gebiet dieser Erde unbewohnt oder ungenutzt. Und im Falle des Kongobeckens liegen Gebiete mit extrem hoher Biodiversität in Ländern mit hoher Armutsrate. Dort hängen die Menschen, so auch die als indigenes Volk anerkannte Gruppe der Baka, direkt von der Nutzung natürlicher Waldressourcen ab. Die Integration lokaler Ressourcennutzer in Naturschutz ist daher nicht nur normatives, sondern auch instrumentelles Ziel vieler Naturschützer: demnach gingen Naturschutz und Armutsbekämpfung Hand in Hand (für eine Gegenthese siehe Oates, 1999).

Unsere Forschung im Lobéké- Nationalpark in Kamerun hat jedoch aufgezeigt: Bestrebungen, das Parkmanagement partizipativ zu gestalten und lokale Ressourcennutzer von Naturschutz profitieren zu lassen, werden in der Praxis kaum umgesetzt. Vor Ort wird Naturschutz längst als „Antagonist“ zu Entwicklung betrachtet. Darunter leidet unserer Analyse nach auch der Naturschutz.

Im südlichen Afrika dagegen konnte - laut einer SLE- AP- Studie von 2019 - die Brücke zwischen Naturschutz- und Entwicklungszielen geschlagen werden. Die lokale Bevölkerung unterstützt inzwischen die Ziele des Naturschutzes.  



Kein Blueprint für Naturschutz

Weltweit zeigen Schutzgebiete laut wissenschaftlicher Studien geringe bis  moderate Naturschutz-Wirkungen. Diese ungleichmäßigen Ergebnisse liegen nicht zuletzt am unterschiedlichen methodischen Design. Vergleiche sind schwierig. Doch eines scheint klar: ohne Unterstützung der lokalen Bevölkerung können Schutzgebiete nur durch teure (insbesondere in sozialer Hinsicht) Inputs wie Zäune oder Ranger geschützt werden.

Was wäre eine Alternative zum Schutzgebiet? Im Amazonasbecken hat die Vergabe indigener Landrechte einen effektiven Naturschutz befördert. Im derzeitigen politischen Klima Brasiliens sind diese Landrechte jedoch äußerst bedroht. Auch lässt sich diese Erfahrung nicht einfach auf andere Kontexte übertragen. Rund um den Lobéké Nationalpark, beispielsweise, verfolgen die Baka mitnichten homogene Interessen und stehen in latentem Konflikt zu den anderen einheimischen Gruppen (Bantu). Innergemeinschaftliche Differenzen und Konflikte scheinen hier der Verwirklichung indigener Landrechte im Wege zu stehen.

Fest steht: es gibt kein „Blueprint“ für wirksamen Naturschutz. Lösungen sind stark kontextabhängig und benötigen Expertise über ideologische Grenzen hinweg. Potentielle Trade-offs von Naturschutz und Entwicklung müssen dabei mit lokalen Ressourcennutzern ausgehandelt und möglichst in Trade- Ins transformiert werden.



Naturschützende Politik statt Schutzgebiete

Fest steht auch: kein Schutzgebiet dieser Erde wird den globalen Durst nach immer mehr Ressourcen stoppen können. Der weltweite ökologische Fußabdruck liegt seit langem über der Biokapazität – mit katastrophalen Folgen für die globale Biodiversität.

Genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, daher naturschützende Politik. Dazu gehört weniger das Ende des globalen Wildtierhandels , sondern vor allem der gelenkte Wandel hin zu Post-Wachstumspraktiken und nachhaltigen Konsummustern in reichen Ländern wie Deutschland. Fleischkonsum und Massentierhaltung sind schließlich maßgeblicher Grund für die Abholzung des Regenwalds.

Die Covid19- Krise deckt die globale wirtschaftliche Abhängigkeit von unserem extremen Konsum auf. Dass dieser nicht nachhaltig ist – das wissen wir seit Jahrzehnten. Doch es gibt Grund zur Hoffnung, denn die Reaktion auf Covid19 beweist, dass radikale Politikänderungen tatsächlich möglich sind. 

Wir sollten die Covid19- Krise daher als Chance zur Änderung begreifen – oder mit den klaren Worten des französischen Philosophen Bruno Latours: „Das Letzte, was wir tun sollten, wäre, wieder alles genau so zu machen, was wir vorher gemacht haben.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Haus in Nähe zum Lobéké Nationalpark

©Henrice Stöbesand, 2018